Wirksamkeit von Paartherapien – Erwartungen und Grenzen

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Was können Therapeuten leisten und was müssten eigentlich die Klienten selbst tun? Diese Frage ist immer wieder großes Thema, über das wir regelmäßig in Paartherapeutentreffen, regionalen Gruppen und Supervisionen diskutieren. Wir kommen zu dem Entschluss, dass die Erwartungshaltung eines (oft schon zerrütteten) Paares an den Therapeuten häufig weit von der Realität entfernt ist. Der Therapeut in seiner Funktion als Wunderheiler?

Spiegel Online veröffentlichte 2017 einen Artikel, und sagte aus, dass Paare im Durchschnitt sechs(!) Jahre zu spät in die Paartherapie kämen. Das erscheint mir persönlich eine extrem hohe Zahl, vor allem weil viele Paare mit denen wir es zu tun haben, diese Haltbarkeitsdauer gar nicht erst erreichen! Aber was ich definitiv behaupten kann: Nahezu alle Paare hätten besser daran getan, wenn sie sich bereits frühzeitiger Unterstützung geholt hätten. In meiner Praxis kam es noch nie vor, dass ich jemanden wegschicken musste, weil er zu früh zur Beratung kam, aber viele Menschen kommen leider viel zu spät.

Motivation = Leidensdruck

So ticken wir Menschen nun einmal: Erst muss der Leidensdruck stimmen, bis wir uns Hilfe suchen. Was Therapie angeht, ist die Hemmschwelle zwar in den letzten Jahrzehnten gesunken, aber gerade Männer haben noch immer starke Vorbehalte. Therapie und Männlichkeit scheint irgendwie so gar nicht miteinander einher zu gehen. Aber lange Zeit war auch Fußball und Homosexualität unvorstellbar, wobei da immer noch viel Luft nach oben ist und lediglich ein Anfang in den typisch männlichen Bereichen gemacht ist.

Gängige (männliche) Reaktionen zur Paartherapie sind: Man sei doch schließlich nicht verrückt, brauche keinen Dritten, der einem sagt, was man zu tun habe oder sei es gewohnt, die Dinge allein mit sich auszumachen. In der Regel ist dann aber so, dass der männliche Part letztendlich genötigt einwilligt, wenn keine Wahl für ihn mehr besteht. Entweder Trennung oder Paartherapie lautet die Forderung der Frau. Im Grunde ist ist das für die Katz, denn die Wirksamkeit einer Zwangstherapie geht gegen null und beantwortet bereits die Frage, ob Therapie hier erfolgreich sein kann.

Paartherapie oder Trennungsberatung?

Immer wieder werde ich gefragt, wie erfolgreich Paartherapie überhaupt sei. Ich antworte dann, dass es immer davon abhängt, in welchem Stadium ein Paar zu uns kommt. Nehmen wir das zuvor genannte Beispiel „Mann wurde von Frau in Praxis gezwungen“ und kann sich vorstellen, dass er keinerlei Motivation zu eigener Veränderung hat, sondern ihn maximal die Hoffnung auf Abwendung der drohenden Trennung antreibt.

Anderes Beispiel: Ein Paar ringt verzweifelt um Augenhöhe nach einer mehrere Jahre(!) zurückliegenden Affäre. Immer wieder verstricken sie sich in Endlos-Diskussionen, aber glauben auch nach der langen Zeit immer noch, es alleine hinzukriegen. Irgendwann sitzt ein völlig erschöpftes und ausgelaugtes Paar schier hoffnungslos in meiner Praxis. Da bleibt selbst dem besten Therapeuten manchmal nur noch die Feststellung, dass bei dem Paar keinerlei restliche Energie mehr übrig ist. Hier geht es schon längst nicht mehr um Therapie, sondern nur noch um eine möglichst gute Trennung. Wie kann man also den Erfolg von Paartherapien bei so etwas messen?

Therapeut als Retter?

Menschen, die zu mir kommen, sind in der Regel immer sehr verzweifelt. Viele stehen unmittelbar vor einer Trennung. Nicht selten handelt es sich um Streitpaare, die sich bereits unzählige Verletzungen zugefügt haben. Natürlich haben alle Klienten schon eine Menge in Eigenregie versucht, um die Beziehung zu stabilisieren oder eine Trennung abzuwenden. Den meisten Paaren gelingt das übrigens auch. Diejenigen, die es nicht im Alleingang packen, sehen den Therapeuten gerne als „letzte Rettung“ und versuchen die Verantwortung für ihre Beziehung diesem zuzuschieben. So fern er nicht an einem Helfersyndrom leidet, wird er diese weit von sich weisen.

Bei Paaren, die mit einer aufgeflogenen Affäre in die Beratung kommen, wird vom Passiven diese Affäre in den allermeisten Fällen (heimlich natürlich) weitergeführt. Unglücklicherweise wird das nicht offen in der Therapie angesprochen, aber es wirkt auch so negativ in die Therapie hinein. Die Energie also, die dringend in die ursprüngliche Kernbeziehung fließen müsste, damit hier etwas Neues entstehen kann, wird weiterhin von außen (also der Affäre) abgezogen. Paartherapie macht an dieser Stelle keinerlei Sinn. Sie ist neben Zeit- und Geldverschwendung vor allem eines: Energieverschwendung für alle beteiligten Seiten. Wer will hier den Erfolg von Therapie nun messen?

Wiederholungstäter?

Besonders hellhörig werde ich, wenn Klienten berichten, dass sie schon einmal oder mehrmals Paartherapie in Anspruch genommen haben. Dann frage ich nach, was der Auslöser dafür seinerzeit war und stelle häufig fest, dass es sich um genau die gleichen Themen gehandelt hat, mit denen das Paar nun auch zu mir kommt. Hier sollte sich für jeden Therapeuten natürlich die Frage aufdrängen, ob er sich in eine unendliche Reihe von (vermeintlich erfolglosen) Therapieansätzen einreihen möchte? Vielleicht hat er den Anspruch an sich selbst, es besser zu machen, aber vielleicht ist es auch ganz einfach so, dass die Klienten im Grunde gar nicht aus ihrer Komfortzone heraus wollten? Das klingt vielleicht merkwürdig, ist in der Praxis aber sehr viel häufiger als umgekehrt. Und dann hat der Therapeut sowieso keinerlei Chance. Die Therapie wird nie von Erfolg gekrönt sein.

Es fehlt in den meisten Fällen nämlich nicht an schlechter Beratung, sondern entweder ist die Klienten-Therapeuten-Beziehung nicht gelungen oder die Klienten setzen die erforderlichen Dinge einfach nicht um. Das verhält sich ähnlich wie bei Diäten, wo die Methode nicht so wichtig ist, sondern man muss es einfach TUN. Ich jedenfalls kann meine Klienten nicht zum Jagen tragen, sondern sie nur motivieren selbst zur Jagd zu gehen.

Fazit

Am liebsten arbeite ich mit Menschen, die wirklich etwas von mir wollen, also echte Veränderungswünsche als Anliegen mitbringen. Obwohl ich einen spannenden Beruf habe, macht er nicht immer nur Spaß und ein großer Teil meiner Aufgaben beinhaltet das Auffangen von jahrelang entstandenem Frust, Wut, Trauer und anderen starken Emotionen. Paartherapie gilt als Königsdisziplin der Therapie und vieles muss hier ausgehalten werden, vor allem Konflikte eine Menge Tränen. Ein paartherapeutisches Setting besteht aus drei Personen, wovon zwei immer besondere Aufmerksamkeit einfordern. Manchmal habe ich das Gefühl auf sehr dünnem Eis zu laufen mitunter versuchen Klienten sogar die Schuld zum Therapeuten zu schieben, wenn es zur Trennung kommt.

Ich bin daher mit meiner Aussage über die Wirksamkeit von Paartherapien sehr vorsichtig und kann für mich feststellen: Meine Arbeit läuft fast von alleine, wenn die Klienten wirklich etwas wollen! In der Praxis heißt das, einen echten Wunsch nach Veränderung zu haben und dann lernen sie auch rasch, dass die Lösung nicht beim Partner oder beim Therapeuten liegen, sondern ausschließlich bei sich selbst. Diese Therapien sind im übrigen IMMER erfolgreich, sogar wenn es final nicht zu einer Weiterführung der Partnerschaft kommt!

 

Foto: © privat (Dalmatien)

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