Wenn Frauen in der Partnerschaft zur Mutti werden (2. Teil)

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In diesem 2. Teil des Beitrags über die in der Praxis am häufigsten vorkommende Schieflagen-Beziehung, geht es darum, die „Vorteile“ einer solchen Partnerschaft zu erkennen und um ihre Auswirkungen. Die meisten Menschen, die zu mir kommen, wünschen sich lebendige Beziehungen auf Augenhöhe. Was sie nicht erkennen, ist ihr eigener Anteil daran, dass dies nicht so ist. Die Mutter-Sohn-Beziehung ist nämlich den wenigsten Menschen bewusst und meist geht die Erkenntnis mit viel Schmerz (weil große Schamgefühle dabei sind) einher. Aber hier liegt die Chance auf Heilung!

Vorteile der Mutter-Sohn-Beziehung

Manchmal erschließen sich die Vorteile von Systemen, Familien, Situationen und Partnerschaften von außen betrachtet nicht auf den ersten Blick (manchmal auch nicht auf den zweiten oder dritten;-)), aber wir gehen davon aus, dass die Beteiligten immer(!) einen Nutzen haben, dass es so ist, wie es ist. Diesen gilt es zu erkennen, damit das Paar entscheiden kann, ob es aus seiner Schieflage heraus möchte oder die Vorteile nichts zu verändern überwiegen.

Bei den Frauen handelt es sich um Perfektionistinnen, denen man es im Grunde nichts recht machen kann. Weil sie es ohnehin besser wissen oder anders haben wollen und ihrem Mann das Zepter gar nicht überlassen möchten. Dies hat den enormen Vorteil, dass SIE alle Fäden in der Hand hat und somit die Kontrolle über alles hat und auch behält. Alles läuft über ihren Tisch und häufig werden dadurch eigene Ängste im Zaum gehalten. Die Frauen zahlen einen hohen Preis dafür und beklagen, dass sie die Privatsekretärinnen ihrer Männer sind und die Dienstboten und Chauffeure ihrer Kinder. Echte Auseinandersetzung mit sich selbst und damit, wer die Frau wirklich ist, sein will und zu jener ggf. werden kann, ist ihr zu wünschen.

Die Männer versuchen meistens zu Beginn der Partnerschaft noch Sinnvolles (in ihren Augen) zum Gesamtsystem beizutragen. Vorschnell nehmen Frauen ihnen gerne Dinge ab, um entweder zu gefallen oder weil sie davon überzeugt sind, es einfach besser zu können. Mehr und mehr packen sie sich auf die Schultern und ER gibt immer mehr ab, weil es auch nicht ganz unbequem ist. Irgendwann knickt er aber ein, resigniert und lässt seine Frau schalten und walten. Die Komfortzone ist endgültig eingerichtet. Häufig tendieren diese Männer zu Lethargie und Passivität. Immer jedoch wird Verantwortung abgegeben, was den immensen Vorteil hat, nie schuld zu sein, wenn etwas schief läuft. So verhalten sich keine Erwachsenen, sondern nur Kinder.

Auswirkungen der Schieflage

Manchmal können diese Systeme viele Jahre lang funktionieren und sogar ein ganzes Beziehungsleben lang. Das mag dem ein oder anderen ausreichen, wirklich glücklich macht es bestimmt nicht. Irgendwie haben diese Partnerschaften etwas Unlebendiges, sind aber in der Regel sehr funktional. Mit den Kindern klappt es gut und Streitigkeiten entstehen durch gegenseitiges Herumerziehen aneinander.

Ganz klar muss sein, dass beide Partner einen gewaltigen Entwicklungsschritt hinlegen müssen, wenn sie aus ihren erhöhten bzw. erniedrigten Positionen rauszukommen und mehr aus sich herauszuholen wollen. Das ist unumgänglich für eine liebevolle Partnerschaft auf Augenhöhe und lebendige Sexualität.

Was unterschätzt wird, und das Paar nicht bemerkt, ist, dass sich das Begehren durch eine dauerhafte Schieflage allmählich und vor allem schleichend verabschiedet. Irgendwann stellt ein Partner oder beide fest, dass die Sexualität sich gänzlich verabschiedet hat. Auch dann kann es noch Jahre dauern, bis diese Paare endlich in die Therapie finden. Je länger sich etwas einschleift, desto schwerer ist es wieder herauszufinden. Und ich kann es nicht oft genug wiederholen: Unsere Lebensthemen lösen nicht einfach von allein, sondern sie warten dringend auf Heilung.

Mütter vergeben beinahe alles

Noch schwieriger wird es, wenn manche Frauen in ihrer „Mutterrolle“ sogar so weit gehen, dass sie ihrem Partner alles „durchgehen“ lassen. Gerade weil er kaum Verantwortung tragen muss und dieses Muster oft lange Jahre unbemerkt besteht, verhält er sich erst recht wie ein kleiner Junge. Sogar in tief verletzenden Situationen ist dies zu beobachten wie z.B. beim Fremdgehen, Lügen o.ä. Es scheint manchmal, als wenn die Frau alias Mutti die Dinge auch gar nicht sehen will und ihm Glauben schenkt, egal welchen Bären er ihr aufzubinden versucht.

Dies soll das kein Aufruf sein, dem Partner etwaige Verfehlungen nicht zu vergeben, sondern es müssen einfach Auseinandersetzungen auf Augenhöhe stattfinden. In einer Schieflage befindet sich die Frau über dem Mann, klagt ihn (meistens) an oder bringt mütterliches Verständnis für ihn auf. Letztendlich erhebt sich immer über ihn, was zu weiteren Gefühlen von Kleinheit oder Minderwert beim Mann führen wird. Diese Männer sitzen dann wie bedröbbelt in meiner Praxis und wirken wie kleine Buben.

Fazit

Wenn wir einen potentiellen Partner treffen, haben wir gelernt, uns von der besten Seite zu zeigen. Das klingt zwar nett, aber ist mit fortschreitender Beziehung hinderlich. Irgendwann verrutscht nämlich jede noch so gut sitzende Maske.

Es gibt genug Frauen, die (immer noch) Glaubenssätze in sich tragen, dass sie beeindrucken, gefallen und etwas leisten müssen, um einen Mann an sich zu binden. Doch der Preis, den sie dafür bezahlen ist sehr hoch und in meinen Augen auch nicht verhandelbar. Welche altertümlichen Glaubenssätze in vielen männlichen Köpfen herumgeistern, kann sich wahrscheinlich jeder vorstellen. Umfragen zufolge erledigen nämlich bis heute Frauen den Löwenanteil der Hausarbeit und das obwohl beide Vollzeit berufstätig sind. Wir schreiben immerhin das Jahr 2019, meine Damen!

Emanzipation, Gleichberechtigung und Augenhöhe beginnt immer bei einem selbst. Wie wäre es denn hier mit „#MeToo“…?

Im 1. Teil dieses Artikels könnt Ihr hier lesen, wie die Schieflagen-Beziehungen in der Praxis aussehen und feststellen, ob Du auch davon betroffen bist…

 

Foto: © Privat (München)

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