Kommunikation ist einfach, wenn der Selbstwert stimmt

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Ich gebe zu, dass über Kommunikation schon viel geschrieben und geforscht wurde. Dennoch scheint diese Kunst so schwer erlernbar zu sein, dass sie uns dauerhaft beschäftigt hält und ganze Berufsfelder daran reich werden lässt. Es wird trainiert wie nie zuvor – ob Coaching oder Couching, im beruflichen oder im paar- oder sexualtherapeutischen Kontext, irgendwie gar nicht so einfach mit dem zwischenmenschlichen Austausch. Kommunikation ist die Brücke, die Menschen verbindet.

WAS löst das Gesagte aus?

Als Paar- und Sexualtherapeutin weiß ich, dass Kommunikation nicht gleich Kommunikation ist. So erfahre ich regelmäßig, dass z.B. der Unternehmer innerhalb seines sicheren betrieblichen Rahmens sehr klar kommunizieren kann, während er im Gespräch mit seiner Gattin nur schwer bei sich bleibt und schnell unsicher wird. Das liegt vermutlich daran, dass es einen gewaltigen Unterschied macht, ob man auf der Sachebene (Inhalt) oder Beziehungsebene (Ausdruck) kommuniziert. Letztere ist die Entscheidende und stellt die emotionale Schwingung dar – der Ton macht also die Musik. Man könnte vereinfacht sagen: Es geht selten darum WAS gesagt wird, sondern vielmehr WIE es gesagt wird und noch mehr: WAS löst das Gesagte an Emotionen, an Gefühlen letztendlich bei einem aus?

Und schon sind wir mitten im Paargeschehen! Der andere ist natürlich schuld an allem! Wenn er oder sie, nicht dieses oder jenes, so oder anders gesagt hätte, dann …

Zurück auf Anfang – hilft nix!

Und hier müssen wir einen weiteren Schritt zurückgehen, dorthin, wo unsere Erfahrungen verankert sind: in die Kindheit. Das macht deshalb so viel Sinn, weil man genaugenommen ausschließlich auf der Sachebene überhaupt nicht kommunizieren kann und daher immer wieder in eine emotionale Instabilität gerät, wenn das Gegenüber kommuniziert. Die Fähigkeit zu erlangen, sich von einem anderen Menschen nicht (mehr) aus der Ruhe bringen zu lassen und stets die Sicherheit zu haben, mit dem Gesagten umgehen zu können in einer erwachsenen Art und Weise, die das Wort Gelassenheit verdient, ist wahre Freiheit.

Wir müssen uns mit unseren Wurzeln auseinandersetzen (auch wenn manche Klienten daran nicht einmal denken mögen). Hilft aber nichts, diese Fragen werden kommen: wie haben wir gelernt zu kommunizieren und zwar schon sehr früh? Die liebe gute Kindheit mal wieder. Wie gingen unsere Eltern bzw. Bezugspersonen miteinander und mit uns um? Über wie viel Reife verfügten unsere Vorbilder? Und wir, haben wir wirklich verstanden, dass wir ab einem gewissen Alter selbst verantwortlich sind, ganz egal was vorher geschah und haben wir diese Verantwortung schon vollständig übernommen? Was tun wir für unsere Psychohygiene? Und wie viel Zeit für Reflexion nehmen wir uns? Wie sieht unser soziales Umfeld und unsere Beziehungen aus, denn genau die sind es, die uns lehren und reflektieren lassen, so dass Wachstum und Entwicklung möglich sind.

Man kann gute Kommunikation lernen

Man stelle sich vor, jemand sagt etwas, das eine unangenehme Emotion auslöst und man würde nicht mehr den Drang verspüren sofort zurückzuschießen und die eigene Instabilität durch Abwertung zu regulieren. Wenn man die Freiheit hätte zu entscheiden, wie man jetzt reagieren möchte: wohlwollend oder verständnisvoll, vielleicht aber auch sauer oder entrüstet. Vielleicht seine Wahrnehmung einfach authentisch auszudrücken, was die Chance stark erhöht, das Gegenüber wirklich zu erreichen. Im Herzen. Wie wäre es, wenn man das lernen könnte?

In der Praxis erreichen uns häufig Anliegen wie: „Wir haben Kommunikationsprobleme“. „Wir verstehen uns nicht“ oder „Wir reden immer aneinander vorbei“.

Wie Paul Watzlawik, ein Urgestein der systemischen Therapie in seinem Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“ sagt: „Man kann nicht nicht kommunizieren!“ Auch Nicht-Kommunikation ist somit Kommunikation. Wobei die Form der ignoranten Kommunikation sicher die verletzendste sein dürfte.

Aber auch „Auge um Auge“ geht meist ins Auge, denn dann ist der Pfad des Redens schnell verlassen und es beginnen Streitspiralen, die immer weiter abwärts führen. Aber auch das ist eine Form von Kommunikation.

Hier hilft auch die beste Kommunikation wenig

Beispielsweise informiert die Frau den Mann darüber, dass sie am Wochenende mit ihren Freundinnen ausgehen wird. Wenn der Gatte ein Thema mit Verlassenheitsängsten hat, wird SIE es IHM niemals in der passenden Tonalität sagen können, denn er wird auf jeden Fall ein negatives Gefühl entwickeln (z.B. Angst, Eifersucht, Wut, Hilflosigkeit). Vorausgesetzt die Frau hat tatsächlich korrekt kommuniziert, liegt die Verantwortung für seine Gedanken und Gefühle beim Mann, auch wenn die Frau diese ausgelöst hat. Sie ist nicht die Ursache, so viel ist sicher. Sie löst sie einfach nur aus. Höchste Eisenbahn, dass er sich darum kümmert!

Wie meinen?

Männer kommunizieren häufiger auf der Sachebene und Frauen auf der emotionalen Ebene. Beide haben kein Verständnis füreinander, sehen nur sich selbst und haben den eigenen Schmerz im Fokus. Es müsste gelingen, dass der eine sich in den anderen hineinfühlen kann und das ist die höchste Kunst der Kommunikation. Es setzt nämlich voraus, sich in sich selbst hineinfühlen zu können, Verständnis für sich selbst zu haben und würde auch bedeuten, die eigenen Bedürfnisse – samt Ego -, zumindest für eine Weile, hintanzustellen. Gemäß dem Motto: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Aktives Zuhören und nicht nur das, sondern mitfühlen! Und da sind wir schon wieder beim Stichwort Reife gelandet und mitten in der Therapie!

Fazit

Nach vielen Tausend Sitzungen kann ich sicher sagen, dass die Lösung in der paartherapeutischen Arbeit darin liegt, dem Paar unmissverständlich klarzumachen, dass jeder für sich selbst in den Spiegel schauen muss, anstatt mit dem Spiegel dem Partner hinterher zu laufen, auch wenn das viel einfach ist. Bei sich selbst zu schauen, ist weitaus unbequemer, aber langfristig die einzige Lösung zur Freiheit.

Im Grunde geht es immer um das das sogenannte innere Kind (die Bedürfnis-Ebene) oder, und das bisher in der Paartherapie kaum etabliertes Thema: das Trauma (zahlreiche Menschen haben noch zahlreichere Entwicklungstraumata). Man kann sich das ähnlich dem inneren Kind vorstellen, aber um ein Vielfaches tiefer gehend, sollte aber nur am Rande gestreift werden. Kommunikation kann man lernen, wenn man ein paar wichtige Grundlagen verstanden hat. Und es lohnt sich!

 

Foto: © Privat (München, Isar)

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